"Warum steigen die Wohnungspreise in Österreich? Ursachen, Spekulation und Auswege"
Eine tiefgehende Analyse der Ursachen steigender Wohnungspreise in Österreich mit Fokus auf Finanzmärkte, Spekulation und politische Gegenmaßnahmen.

Einleitung
Die Wohnungspreise in Österreich steigen seit Jahren stark – insbesondere in Städten wie Wien, Salzburg oder Innsbruck. Für viele Menschen wird das Wohnen zunehmend unleistbar. Diese Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen, wirtschaftlicher Trends und spekulativer Dynamiken. Besonders der Einfluss von Investmentfonds und börsennotierten Immobilienunternehmen spielt eine entscheidende Rolle.
Dieser Artikel analysiert die Ursachen steigender Wohnungspreise in Österreich, erklärt den Einfluss der Finanzmärkte und skizziert wirksame Lösungsansätze.
1. Ursachen steigender Wohnungspreise
A) Makroökonomische Ursachen
Niedrigzinspolitik
Wie in vielen europäischen Ländern senkten auch die Zentralbanken der Eurozone nach der Finanzkrise 2008 sowie während der Covid-Pandemie die Leitzinsen drastisch. Die Folge: Sparen wurde unattraktiv, Kapital floss verstärkt in Sachwerte – insbesondere Immobilien. Wohnungen galten als krisensichere Wertanlage. Diese Entwicklung befeuerte die Nachfrage und trieb die Preise nach oben.
Quelle: OeNB, Geldpolitischer Bericht 2023
Demografischer Druck & Urbanisierung
Die Bevölkerung Österreichs wächst – nicht zuletzt durch Zuwanderung und innerstaatliche Urbanisierung. Städte wie Wien, Graz oder Linz ziehen immer mehr Menschen an. Gleichzeitig nimmt die durchschnittliche Haushaltsgröße ab, was den Wohnflächenbedarf zusätzlich erhöht.
Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2022–2040
Begrenztes Angebot durch bauliche Restriktionen
Obwohl gebaut wird, reichen die Neubauten oft nicht aus, um den Bedarf zu decken. Baulandreserven sind begrenzt, Genehmigungsverfahren langwierig, und Bodenpreise steigen rasant. Auch Widerstand gegen Verdichtung oder Hochhausprojekte behindert ein schnelleres Wachstum des Angebots.
Quelle: Arbeiterkammer Wien, Wohnungsmarktbericht 2023
B) Politische und regulatorische Ursachen
Privatisierung von Wohnraum
Auch in Österreich wurden in den letzten Jahrzehnten gemeinnützige und kommunale Wohnbestände privatisiert – etwa durch Verkäufe an Immobiliengesellschaften wieder BUWOG, oder durch die Umwandlung von Genossenschaftswohnungen in Eigentum. Dadurch wurde langfristig leistbarer Wohnraum dem Markt entzogen.
Quelle: Wiener Zeitung, "Ausverkauf des Gemeindebaus?", 2022
Steuerliche Anreize für Anleger
Immobilien sind in Österreich steuerlich attraktiv – etwa durch Abschreibungsmöglichkeiten bei Vermietung oder durch die Möglichkeit, Gewinne aus privaten Immobilienverkäufen nach zehn Jahren steuerfrei zu realisieren. Diese Rahmenbedingungen locken Investor:innen an und befeuern die Preisentwicklung.
Quelle: BMF, Steuerleitfaden Immobilien 2024
Fehlanreize im geförderten Wohnbau
Zwar verfügt Österreich über ein relativ gut ausgebautes System des geförderten Wohnbaus, doch kommt dieser zu wenig beim unteren Einkommensdrittel an. Zudem gibt es keine dauerhafte Widmung als sozialer Wohnraum – nach Ablauf der Förderbindung fallen viele Objekte in den freien Markt zurück.
Quelle: WIFO, "Evaluierung der Wohnbauförderung", 2023
C) Finanzmarktgetriebene Ursachen
Finanzialisierung des Wohnens
Internationale Investmentfonds und Immobilienunternehmen kaufen Wohnhäuser in Wien, Salzburg oder Innsbruck – nicht wegen des Wohnbedarfs, sondern wegen der Rendite. Wohnraum wird zu einem Spekulationsobjekt. In Wien z. B. ist der Anteil institutioneller Eigentümer in manchen Bezirken stark gestiegen.
Quelle: Der Standard, "BlackRock, BUWOG und Co: Wem gehört Wien?", 2022
Börsennotierte Immobilienkonzerne
Auch in Österreich tätige Unternehmen wie BUWOG (nun Teil von Vonovia) agieren am Kapitalmarkt. Sie verfolgen das Ziel, Gewinne zu maximieren – durch Mietsteigerungen, Umwidmungen oder den Verkauf ganzer Wohnblöcke. Die Bedürfnisse der Mieter:innen bleiben oft zweitrangig.
Quelle: Momentum Institut, "Vonovia und der Druck auf die Mieten", 2023
Spekulation und Leerstand
In Wien wird geschätzt, dass mehrere zehntausend Wohnungen leer stehen – entweder wegen spekulativer Zurückhaltung, Nutzung als Zweitwohnung oder wegen Kurzzeitvermietung. Diese Wohnungen fehlen dem regulären Mietmarkt.
Quelle: Stadt Wien, Leerstandsmonitoring 2023
2. Was tun? Lösungsansätze und Gegenmaßnahmen
A) Wohnen als Gemeingut fördern
Kommunaler und gemeinnütziger Wohnbau
Wien gilt international als Vorbild für sozialen Wohnbau – dieser Weg sollte ausgebaut und auf andere Städte übertragen werden. Gemeinden müssen wieder verstärkt selbst bauen oder gemeinnützige Bauträger beauftragen. Die Wohnungsvergabe muss sozial gerecht und dauerhaft abgesichert sein.
Quelle: IBA_Wien, Abschlussbericht 2022
Rekommunalisierung
Wohnungsbestände, die an Großinvestoren verkauft wurden, könnten – wo sinnvoll – wieder in öffentliche oder gemeinnützige Trägerschaft überführt werden. Voraussetzung dafür ist politischer Wille und rechtlicher Spielraum.
Quelle: Arbeiterkammer Wien, "Rekommunalisierung als Option", 2021
Gemeinwohlorientierte Bodenpolitik
Grundstücke sollten nicht mehr verkauft, sondern nur im Baurecht vergeben werden. Dadurch bleibt der Grund im Eigentum der öffentlichen Hand. Zusätzlich könnten Kommunen Bodenspekulation durch Flächenwidmungsabgaben oder Vorkaufsrechte entgegenwirken.
Quelle: ÖROK, "Raumordnung und Bodenpolitik", 2023
B) Finanzmärkte regulieren
Begrenzung institutioneller Käufe
Es sollte geprüft werden, ob der Erwerb großer Wohnungsbestände durch Fonds oder Kapitalgesellschaften genehmigungspflichtig oder mengenmäßig limitiert werden kann. Beispiele aus Skandinavien oder Kanada zeigen mögliche Wege.
Quelle: UN-Habitat, "The Financialization of Housing", 2020
Besteuerung spekulativer Gewinne
Die Immobilienertragssteuer sollte reformiert werden – etwa durch Verlängerung der Spekulationsfrist oder progressive Steuersätze für häufige oder großvolumige Verkäufe.
Quelle: Momentum Institut, "Vermögensbesteuerung in Österreich", 2023
Transparenz schaffen
Ein zentrales Wohn- und Immobilienregister, das öffentlich zugänglich ist, kann helfen, Eigentümerstrukturen sichtbar zu machen. Das ist Voraussetzung für gezielte wohnungspolitische Maßnahmen.
Quelle: Transparenzdatenbank-Initiative der AK Wien, 2023
C) Mieterschutz stärken
Mietpreisobergrenzen und -deckel
In Österreich gibt es Richtwert- und Kategoriemieten – doch viele Mietverhältnisse entziehen sich dieser Kontrolle. Transparente Mietspiegel, gedeckelte Lagezuschläge und ein wirksamer Mietpreisdeckel im Alt- und Neubau wären dringend nötig.
Quelle: Arbeiterkammer Österreich, "Mieten im freien Fall?", 2022
Verbot von spekulativem Leerstand
Leerstehende Wohnungen sollten erfasst und besteuert werden. In Wien wurde dazu ein Leerstandsregister angekündigt – es muss rasch umgesetzt und mit Sanktionen versehen werden.
Quelle: Stadt Wien, Wohnbauoffensive 2024
Regulierung von Kurzzeitvermietung
Touristische Vermietung über Plattformen wie Airbnb muss reguliert werden. Etwa durch Registrierungspflicht, Begrenzung der Vermietungstage oder Bewilligungspflicht in Gebieten mit Wohnraummangel.
Quelle: WIFO, "Tourismus und Wohnraumverknappung", 2023
Fazit
Die Wohnungskrise in Österreich ist das Resultat politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen. Wohnraum wurde zunehmend zur Ware – mit dramatischen Folgen für breite Bevölkerungsschichten.
Es braucht nun einen Kurswechsel:
- Wohnen muss wieder als Grundrecht und Daseinsvorsorge verstanden werden.
- Finanzmarktgetriebene Spekulation mit Wohnraum muss eingedämmt werden.
- Gemeinnütziger, kommunaler und leistbarer Wohnraum muss Priorität erhalten.
Nur mit klaren politischen Maßnahmen, mutigen Entscheidungen und gesellschaftlicher Solidarität lässt sich der Trend steigender Wohnungspreise in Österreich brechen.